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Galgen und Hexenverbrennung 1594 (1593)

Die Daten können abweichen, da nach dem gregorianischen Kalender noch oft alte und neue Daten angewandt wurden!

In der an Schrecken und Unheil so reichen Zeit kam es auf der Nachtsheimer Höhe zur Verbrennung von einigen Frauen aus Nachtsheim und Boos.
Dass diese Greueltat schriftlich überliefert wurde, ist auf den Umstand zurückzuführen, dass es wegen der Richtstätte zu Streitigkeiten zwischen den Virneburger Grafen und den erzbischöflichen Behörden kam.
Die Jahre 1545 und 1593 waren einschneidende Daten für die Herrschaft Virneburgs. Im ersteren Jahr starben die Virneburger Grafen im Mannesstamm aus, im letzteren die männlichen Erben von Manderscheid-Schleiden. In beiden Fällen zog der Erzbischof und Kurfürst von Trier als oberster Lehnsherr einen Teil der Grafschaft ein. Übrig blieb ein Torso mit den Hochgerichten Nachtsheim und Retterath. Die von Manderscheid führten in der verbliebenen Grafschaft die Reformation ein.
Als Graf Kuno 1545 starb, errichteten die Erben, trotz interner Streitereien, zum sichtbaren Zeichen ihrer Gerichtshoheit sofort einen Galgen “uff der Höhe zwischen dem Schloß Virneburg und dem Dorf Nachtsheim, diesseits der Straße, nach dem Haus Virneburg, der Nitz zu". Dort blieb er bis 1554 stehen. Als der neue Lehnsvertrag mit dem Erzbischof zustande kam, verlegte man Galgen und Hochgericht wieder “uff jene Seite der Straße, nach Nachtsheim zu”.
1593 starben auch die Manderscheider im Mannesstamm aus. Da zog der Erzbischof und Kurfürst des Weiteren die Dörfer Boos und Nachtsheim ein. Trier hatte damit einen Stützpunkt mitten im restlichen Rumpfgebilde der einst mächtigen Grafschaft. Der Versuch der Manderscheider, nach 1545 die Reformation einzuführen, war infolgedessen endgültig zum Scheitern verurteilt.
In Nachtsheim und Boos setzte die Gegenreformation unmittelbar mit der Territorialveränderung ein. Noch im gleichen Jahr 1593 werden “etliche" Frauen von Nachtsheim und Boos der Hexerei verdächtigt, verhaftet, nach Mayen ins Gefängnis (“auf das Schloß") gebracht und dort unter Anwendung der Folter verhört, bis sie gestehen, eine Hexe zu sein und schändliche Zauberei getrieben zu haben. Hier wird ein Hinrichtungsdatum, der 22. September 1593, erwähnt!
Ein Jahr danach, 1594, sollte ein Schafdieb im Virneburgischen gehenkt werden. Nun stand aber der Galgen jenseits der Straße, auf der Nachtsheimer Seite im kurtrierischen Gebiet. Da ließ die gräfliche Behörde am 3. August 1594 erneut einen Galgen am alten Platz auf der Virneburger Seite errichten “diesseits der Straße, nach der Nitz zu, eben an demselben Ort, in denselben Löchern und Malzeichen" (“Kaulen, Stein und Holz"), wo ein solcher 1545-1554 gestanden hatte.
Inzwischen war für Mittwoch, den 31. August 1594, die Hinrichtung der Booser und Nachtsheimer Hexen angesetzt worden. Die beiden Gemeinden mussten sie mit ihren Wagen in Mayen abholen und auf den virneburgischen (nicht trierischen) Richtplatz zum Verbrennen bringen, dort, wo der neu errichtete Galgen stand. Daneben hatte man über Nacht heimlich eine Hütte nebst Scheiterhaufen errichtet, ohne den Virneburger Amtmann zu informieren.
Am frühen Morgen des letzten Augusttages brachte man die Frauen. 50 - 60 trierische Schützen begleiteten den Zug, dazu der Mayener Schultheiß mit einigen Beamten. Am Richtplatz hatten sich viele Leute aus der Umgebung versammelt, auch der Virneburger Amtmann kam hinzu.
Die Aufregung und Empörung der Bevölkerung muss gewaltig gewesen sein, denn während die Flammen hochschlugen, griffen plötzlich einige Männer zur Axt, schlugen den frisch aufgestellten Galgen um, zerhackten ihn und warfen die Stücke mit ins Feuer.
Der Amtmann von Virneburg war entsetzt. Er bat zunächst den Schultheiß von Mayen und seine Begleiter um Amtshilfe und ersuchte sie, man solle solche Hinrichtungen auf der virneburgischen Hoheit gefälligst bleiben lassen und von solch angemaßter Tätlichkeit Abstand nehmen. Als dies nichts nützte und die Verbrennungen weitergingen, protestierte er lautstark vor der ganzen Menge und suchte Zeugen des Geschehens.
Die Grafenwitwe Magdalene von Nassau-Wiesbaden befürchtete durch diesen Vorfall gravierende Nachteile der Rechtshoheit für sich und ihre Erben. Um der Nachwelt wenigstens den Urkundenbeweis zu liefern, ließ sie im November 1594 den Notarius Peter Wauer aus Kronenburg kommen, damit er alles “fleißig aufschreibe" und zehn ältere Zeugen verhöre, die sich zum Teil noch bis in die Zeit des letzten Virneburger Grafen Kuno vor 1545 erinnern konnten, “wie es von alters her gewesen".

Die 10 Zeugen waren:

1. Nikolaus Hofmann zu Hirten, über 50 Jahre alt, Heimbürger (= Vorsteher).
2. Johann Roß von der Nitzer Mühle, rund 70 Jahre alt, geboren zu Baar, 18 Jahre Heimbürger gewesen.
3. Johann Beyer zu Baar, über 50 Jahre alt, in Baar geboren, Beruf Zimmermann.
4. Johann Baur zu Nitz, geboren 1511 in Nitz (Baurs Mühle), Beruf Müllermeister.
5. Werner zu Baar, dort geboren.
6. Laurentz zu Niederbaar, 1535 geboren, Beruf Krämer (= Kaufmann).
7. Johann Hofmann zu Luxem, dort geboren, ca. 80 Jahre alt, rund 40 Jahre Heimbürger in Luxem.
8. Heinrich Scholtes zu Luxem, dort geboren, ca. 50 Jahre alt, 13 Jahre Heimbürger in Luxem.
9. Beligen zu Luxem, geboren in Nachtsheim, fast 80 Jahre alt.
10. Mey von Luxem.

Die Zeugen bestätigten im Grunde all das, was der Notarius W. schon vorher in 12 Artikeln zusammengestellt hatte. Sie bekundeten des Weiteren den festgelegten Bezirk der Rüge. Die Rüge des Heimbürgers von Boos ging bis an die Straße, nicht darüber. “Was über die Straße nach dem Haus und Nitz an Rügen gefallen, von dem Heimbürger zu Lind gerügt werde." (Rügen = Anzeigepflicht von Missetaten, die zur Untersuchung oder zur Inquisition kamen.)

Das Ereignis muss bei den Leuten einen tiefen Eindruck hinterlassen haben, denn die Überlieferung hat sich bis heute erhalten.
So erzählt man sich in Boos und Lind noch heute, dass bei der Hexenverbrennung der Booser und Nachtsheimer Frauen ein Mädchen aus Boos fürchterlich geschrien habe.
Aus einem dürftigen Dokument, den Akten der vom Gericht zu Coblenz verhandelten Criminalsachen des Amtes Mayen 1593, geht hervor: “Am 19. Febr. 1593 forderte der Kurfürst von seinen Schultheissen, von den Schöffen und dem Gericht zu Koblenz, ein Verzeichnis, wieviel Personen Zauberei-Lasters halben in unseren Ämptern Mayen, Monreal und Kempenich, durch Euch ad torturam (kommt von Tortur = Folterung) et capturam erkannt worden.”
Das Verzeichnis wurde am 25. Februar bereits erstattet und umfasst 15 Personen:

  • Gertrud Leindecker,
  • Grethe Hofmar,
  • Marianne Endreßen,
  • Apollonia, des Webers Frau daselbst,
  • Pulchers Grethen,
  • Susanne Kirchers,
  • Anna Schneider,
  • Maria Firming,
  • Apollonia Schneider,
  • Gertrauden Schaffers,
  • Gertraud Gretzers,
  • Gertraud Christen,
  • Mergen Schaffs,
  • Dionisy Dreißers,
  • Lucia Teimens.

Von diesen vorgenannten Frauen sind 9 nach vorhergegangener Tortur (wohl lebend) verbrannt worden. (Die örtliche Herkunft dieser Frauen und ob darunter auch diese benannten Frauen von Boos und Nachtsheim waren, ist leider nicht erwähnt.)
Bei vier Frauen ist die “peinliche Frage" (Folterung) bezeugt.
Die beiden letztgenannten Frauen sind angeklagt, aber noch nicht verurteilt.

Weitere Prozessunterlagen und Niederschriften über diese Prozesse und Urteile sind restlos verloren.
Unter 1 C 9192 im LHA Koblenz lesen wir u.a. in einem Schreiben des Domdechanten von Metternich an das kurfürstliche Hochgericht zu Trier, mit einem ungenannten und wegen Zauberei verfolgten Mädchen Gnade walten zu lassen. Dies war am 4. August 1639.

Domdechant von Metternich bittet Schultheiß und Geschworene dieses Hochgerichtes zu Trier, bei oben genanntem Mädchen nachsichtig zu sein im Prozess, weil sie schon genügend Buße getan habe und noch sehr jung wäre. Sie sollten sie höchstens etwas foltern, aber nicht hinrichten. Die Reaktion des Hochgerichtes auf dieses Bittschreiben ist leider wegen fehlender Unterlagen im LHA nicht bekannt.
Dieses Mädchen war ebenfalls aus dem Amte Mayen (ob direkt aus Boos, ist leider nicht bekannt).
In den meisten Fällen, laut Hinrichtungsprotokollen, ist in den Prozessakten nicht von Hexen oder Hexerei die Rede, sondern durchweg nur von Zauberei, zaubern, Zaubertänze, Zaubereilaster usw. Dabei reitet die Hexe oder der Zauberer meist auf einem schwarzen Bock, einer schwarzen Geiß oder auf einem “Dier" wie einem Hund mit Hörnern zum “Danzplatz".
Dieser Danzplatz ist der angebliche Versammlungsort der Hexen oder Zauberer und befindet sich in nächster Umgebung der Ortschaft, meist auf einer Anhöhe, oder es befindet sich dort ein anderes außergewöhnliches Merkmal, welches den Ort auszeichnet. (In Boos - siehe “Hexendanz”.)
Die Hexentänze finden meist während der so genannten Fronfasten, also während der österlichen Fastenzeit, statt.
Was geschieht nun bei diesen Hexendänz?
Es wird getanzt, gegessen, getrunken. Oft wird Fleisch gegessen, welches natürlich in der Fastenzeit streng verboten war, auch wieder ein Delikt zur Anklage!
Die Trinkgefäße sollen angeblich bei “reichen” Zauberern aus Silbergeschirr bestanden haben, wogegen die “Armen” aus Kuhklauen tranken.
Ferner wurde angeblich beratschlagt und eingewilligt, “alles Gewachstum der Erden”,  “alles Erdengewächs”, “alles, was grün ist”, zu verderben!
Die Einwilligung hierzu ist freiwillig, oder der Teufel zwingt sie dazu durch Androhung von Strafen.
Die Verderbung der Feld- und Gartenfrüchte geschieht durch Nebel, Kälte, Reif und Frost.
Auch macht man die vermeintlichen Hexen und Zauberer für menschliche Krankheiten oder Unglück im Stall verantwortlich. Das Vieh konnte schon dadurch schwer erkranken, wenn es tags vorher an der Wohnung des Zauberers vorbeiging. Der Widersacher Gottes, der die Menschen zum Zauberlaster verführte, heißt bald der “Teufel” oder der “böse Feiand", auch Lucifer oder “Betonkübel" wurde er genannt.

Für die meist erheblichen Prozesskosten und Exekutionskosten musste der Hingerichtete mit seiner Hinterlassenschaft noch selbst aufkommen. Da es sich bei den Beschuldigten meist um relativ arme Leute handelte, war dies oft für die Hinterbliebenen unerschwinglich, und das ganze Dorf musste sich an den Abzahlungen beteiligen.

Oft beliefen sich die Kosten zwischen 300 und 400 fl. (Gulden), was ein Vermögen darstellte.

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